Pläne des Stadiondachs, veröffentlicht in der Publikation "Sport + Bäderbauten".

Der Architekt und sein Stadion – Jakob Adlhart über das Stadion Lehen

21. April 2020

Jakob Adlhart war einer der beiden Architekten des Lehener Stadions. 1971, dem Eröffnungsjahr des Stadions, eröffnete er sein eigenes Architekturbüro, ADLHART Architekten.

Wir haben uns mit Jakob Adlhart über den Bau unterhalten und dabei einige weniger bekannte Geschichten erfahren. 

Foto: ADLHART Architekten.


Eines schönen Tages, so erinnert sich Adlhart, kam sein Mentor Diplomingineur Hanns Wiser in sein Büro und fragte „Du, der Bürgermeister, der möchte da ein Fußballstadion bauen und das soll ich planen. Bist du dabei?“ Selbstverständlich sagte der junge Architekt zu. 

Wiser hatte zuvor 1966 einen ersten Entwurf für ein Salzburger Stadion mit einem Fassungsvermögen von 15.000 Zuschauern auf zwei überdachten Tribünen erstellt. Der Aufstieg der Austria in die Nationalliga, die höchste Spielklasse, war der Auslöser für die Initiative ein Stadion in Lehen oder Liefering zu bauen. Das Vorhaben hatte politischen Rückenwind. Befürworter waren der Salzburger Bürgermeister Alfred Bäck und vor allem Landesrat Sepp Weißkind, der damals auch Austria-Präsident war.

Große, ehrenvolle Aufgabe

Der Auftrag sei eine ehrenvolle Aufgabe für ihn gewesen erinnert sich der 1936 geborene Architekt Jakob Adlhart zurück. „Für die Stadt Salzburg so etwas machen zu dürfen, das war toll. Ich hatte in Hanns Wiser auch einen sehr renommierten Partner, wenn er auch kein Spezialist für Stadien sondern für kirchliche Bauten war.“ Wiser, den Adlhart als „einen sehr feinen Kerl“ beschreibt, hatte den aufstrebenden Architekten unter seine Fittiche genommen. Als Bauleiter des Erzbischöflichen Bauamts war Wiser unter anderem an der Planung und Neuerrichtung der eingestürzten Domkuppel beteiligt. 

Für die Stadt Salzburg so etwas machen zu dürfen, das war toll.

Jakob Adlhart

Mit Stadien hatte Adlhart allerdings keine Erfahrung. Zu Recherchezwecken reiste er daher nach Italien um sich verschiedene Sportstätten anzuschauen, darunter das Stadion von Empoli. „Ich war der Meinung die Italiener hätten bei den Bauten immer auch etwas künstlerisches dabei.“ Das wollte er auch beim Bau in Salzburg einfließen lassen. 

Die Dachform machte das Stadion weit über die Landesgrenzen bekannt.
Foto: ADLHART Architekten.

Außergewöhnliche Dachform

Neben den gewaltigen Flutlichtmasten die bei Abendspielen im Herbst oft wie vier rauchende Glimmstängel über die Lehener Mietshäuser hinausragten war die Dachform wohl das prägendste Merkmal des Stadions. Technisch anspruchsvoll und auch als Entwurf etwas ganz besonderes wurden die hoch über den Zuschauern schwebenden Betonschalen bald das Wahrzeichen eines ganzen Stadtteils. Über je neun Felder mit einer Stützweite von 8,70 Metern wurden vorgespannte Stahlbetonschalen als Schalenkonstruktion ausgeführt. Eine konstruktive Lösung, wie sie in dieser Größenordnung bis zu diesem Zeitpunkt noch nie realisiert worden war. Eine Leistung mit der Jakob Adlhart auch fast 50 Jahre nach der Umsetzung merklich zufrieden ist. „Ich möchte schon mit Stolz erwähnen, dass das so auf meinem Mist gewachsen ist.“ Die Konstruktion sei nicht einfach gewesen erzählt er. Glücklicherweise habe sein Team aus guten Leuten bestanden. „Wir haben nicht locker gelassen. Diese Schalenkonstruktion, das hatten wir als Architekten ja noch nie gemacht. Ich bin echt stolz auf die Form, auf diese Stützen die teilweise überleiten auf die Galerie, auskragen und dann übergehen in diese Schalen, also darauf bin ich stolz.“ Mit einem schmunzeln fügt er hinzu: „Das darf ich auch sein, mit 84 Jahren.“ 

Die Planer hatten ursprünglich sogar mehr dieser Dachbögen vorgesehen. Statt den schlussendlich umgesetzten neun Bögen je Seite waren zwölf angedacht, die Tribünen hätten also ein gutes Stück länger sein sollen. Im August 1969 war allerdings klar geworden, dass die budgetierten Geldmittel für das geplante Stadion nicht reichen würden. Die Tribünen wurden verkürzt und Sitzplätze durch Stehplätze ersetzt um die angepeilte Kapazität von 18.000 Zuschauern zu erhalten. „Ursprünglich wollten wir sogar dass auch die Stirnseiten mit diesen Schalen versehen werden“ erinnert sich Jakob Adlhart. „Das wäre natürlich großartig gewesen. In der heutigen Zeit würde man das ohnehin nicht mehr anders machen. Aber es war halt damals so, es war kein Geld da.“ 

Ausschnitt aus dem Plan der Dachkonstruktion.
Copyright: Sport + Bäderbauten

In der heutigen Zeit würde man das ohnehin nicht mehr anders machen. Aber es war halt damals so, es war kein Geld da. 

Jakob Adlhart

Lehen und die Gotteshäuser

Das Lehener Stadion war auch immer für seine gute Akustik bekannt. Kein Zufall wie der Architekt verrät. „Wir hatten einen Akustiker dabei der schon beim Bau des Kirchturms in Hallein mitgearbeitet hat.“ Die Gleichsetzung eines Stadions mit einem Gotteshaus ist wohl nicht zutreffend. Im Fall des Lehener Stadions kann man aber festhalten, dass die Salzburger Kultstätte zumindest was den Bau an sich angeht einige Parallelen aufweist. 

Blick auf die Sitzplatztribüne an der Tulpenstraße.
Foto: ADLHART Architekten.

Wer kontrolliert hier wen?

Ein Bauvorhaben dieser Größenordnung braucht natürlich nicht nur eine kühne Vision, sondern auch Planung und Kontrolle. Die Verteilung der Kompetenzen sorgte zu Beginn der Bauarbeiten allerdings für erste Unstimmigkeiten. „Wir waren der Meinung wir könnten auch die Bauleitung machen. Es war damals üblich, dass der Architekt nicht nur geplant hat sondern auch die Bauleitung inne hatte.“ erzählt Adlhart. „Das hat sich aber so nicht ergeben. Es kam ein neuer Baudirektor, Herr Radic, zum Salzburger Bauamt.“ Radic wollte den ausführenden Architekten die ihm gänzlich unbekannt waren keinesfalls die Kontrolle überlassen und holte sich einen eigenen Bauleiter an Bord. „Das war ein gewisser Herr Kaifaz. Wir wurden schnell seine Erzfeinde.“ 

Auch wenn Wiser und Adlhart die Bauleitung abgeben mussten hatten sie sich eine Hintertür offen gelassen. Die Architekten hatten sich im Vorfeld vertraglich die Oberbauleitung gesichert und kontrollierten damit auch die Arbeit des Kontrolleurs Kaifaz. Theoretisch zumindest, denn der Bauleiter gewährte ihnen nie Zugang zu seinen Unterlagen. „Wir sind da immer ins Leere gelaufen“ so Adlhart. Um zumindest Zugang zu den Bautagebüchern zu erhalten wandte man sich sogar an den Aufsichtsrat, das Gremium das die einzelnen Schritte beim Bau vorgab – erfolglos. „Das war dann am Ende, als es um die Abrechnung gegangen ist, für uns ganz furchtbar.“ Fehlende Bautagebücher machten eine Abrechnung beinahe unmöglich. „Wir mussten uns da hineinarbeiten, hineindenken.“ Ein halbes Jahr erinnert sich Adlhart, habe man mindestens zugebracht um das Projekt abzurechnen. „Mein Kollege Wiser war zu diesem Zeitpunkt schon längst im Bauamt, die Arbeit ist bei mir liegen geblieben.“

Eine Tiefgarage mit Folgen

Eine Tiefgarage unter dem Spielfeld hielten die Architekten für angebracht. Die Umsetzung gestaltete sich, so Adlhart aber schwierig. „Leider Gottes hatte die Stadt aber kein Geld dafür.“ Bauleiter Kaifaz engagierte einen Wiener Spezialisten für Tiefgaragen. Von den Architekten forderte er die fertigen Pläne für die Tiefgarage. Kein Problem, den Salzburger Stadionplanern war vor allem wichtig, dass die Pläne umgesetzt wurden. „Wir haben die Pläne übergeben und eine Rechnung geschrieben. Und das wurde dann aber nicht bezahlt“ erinnert sich Adlhart. Noch lange nach Fertigstellung des Stadions mussten die Architekten ihrem Lohn hinterherlaufen. Der streitbare Bauleiter Kaifaz war schon während der Bauphase untergetaucht. 

Schalplan einer Regelschale des Lehener Stadions.
Copyright: Sport + Bäderbauten

Fußball vs. München ’72

Der Bau des Stadions, insgesamt wurde in Lehen 23 Monate gebaut, sollte aber auch an anderer Stelle auf Probleme stoßen. Mit der Ausführung der Bauarbeiten war eine Halleiner Baufirma betraut. Erst lief alles nach Plan, die fachkundigen Arbeiter, alle aus der Steiermark, kamen gut voran. Überraschend tauchte dann aber ein großes Problem auf. „Die Baufirma hat von heute auf morgen alle Facharbeiter verloren. Alle wurden von den Firmen die in München für die Olympischen Spiele 1972 bauten abgeworben. Das war furchtbar“ schildert Adlhart. „Das muss man sich vorstellen, es waren ja keine Kleinigkeiten um die es ging.“ 

Das Dach war zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise fertig, jedoch nicht die Tribünenanlagen und Stufen. Die Baufirma teilte den Architekten jedoch bald mit eine Lösung für das Problem der fehlenden Arbeiter gefunden zu haben. „Dann kamen die Türken. Die hat man uns als höchst qualifizierte Facharbeiter verkauft“ erinnert sich Adlhart zurück. Gut, motiviert waren die Gastarbeiter. Sie waren jedoch alles andere als fachkundig. Deutlich ist dem Architekten auch heute noch das Entsetzen über den plötzlichen Wandel in der Qualität der Ausführung anzumerken. „Naja, da brauche ich nicht viel mehr dazu sagen. Es war jedenfalls ein Chaos was die zamgschustert haben.“ Die Ausführung, so Adlhart hätte unter dem plötzlichen Wechsel der Belegschaft massiv gelitten. 

Eröffnung mit Überraschungen

Adlhart erinnert sich gerne daran zurück als sich Stadion am 18. September 1971 erstmals füllte. Zu Gast im Lehener Betonoval, dem modernsten Stadion seiner Zeit in Österreich, war die tunesische Nationalmannschaft. „Das war schon großartig. Wir hatten damals glaube ich 12.000 Leute drin, das war für Salzburger Verhältnisse schon was. Wirklich ein schönes, sehr schönes Gefühl.“ 

Und auch ein Wiedersehen mit dem untergetauchten Bauleiter Kaifaz sollte es geben. Er war, so hatten Recherchen der Architekten ergeben, nach dem Schlamassel mit der nicht bezahlten Rechnungen nach Palestina geflohen. Dr. Hödlsberger, der Rechtsanwalt der Architekten, war aber überzeugt, dass er sich die Stadioneröffnung nicht entgehen lassen würde. „Er fuhr einen protzigen Mercedes, für solche Typen ist das wichtig“ erzählt Adlhart in dessen Stimme auch nach so vielen Jahren noch Verachtung mitschwingt. „Damals war er uns ja noch über 100.000 Schilling schuldig.“ Tatsächlich konnte man am Eröffnungstag den weißen Mercedes unweit des Stadions ausmachen. „Unser Rechtsanwalt hat dann den Herrn ausrufen lassen, das Auto würde eine Einfahrt versperren.“ Tatsächlich tauchte der Bauleiter kurz darauf bei seinem Fahrzeug auf. Dort erwartete ihn eine unangenehme Überraschung. Seine Gläubiger hatten die Feuerwehr engagiert, diese hatte den Mercedes bereits aufgebockt. „Da konnte er nicht mehr aus“ schmunzelt Adlhart. „Wir waren da wirklich innovativ.“ Derart in die Enge getrieben fiel der Bauleiter vor Adlhart und Wiser auf die Knie. „Wie wenn man in der Kirche beten würde.“ 

In schwierigen Verhandlungen gelang es danach zumindest den Großteil der ausstehenden Summe einzutreiben. „Einer der Mitarbeiter von Kaifaz, ein kleiner Ziviltechniker der rechtlich den Kopf hinhalten musste, hat dann am Ende die Rechnung bezahlt. Unglaublich. Seine Freundin hatte ein Grundstück in Kärnten, das musste sie verkaufen um das Geld aufzubringen. Unglaublich.“ 

Das finanzielle Hickhack rund um das Projekt hat, das merkt man im Gespräch mit Jakob Adlhart deutlich, seine Spuren hinterlassen. „Stadion habe ich keines mehr gebaut, aber dafür viele Pfarrhöfe mit Diplomingenieur Wiser. Dennoch, der „gewisse künstlerische Touch“ den das Lehener Stadion hatte sei „schon etwas ganz besonderes“ gewesen „Ich erinnere mich sehr gern zurück“. 

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